Freitag, 8. April 2022

8.4.2022

 



Meine Gartenblumenstiefel stehen von gestern noch in der Garderobe. 

Aus jedem Schaft hängt ein grün rotgestreifter Socken, den mir meine Mutti vor gefühlten 30 Jahren gestrickt hat. Sie locken mich, auch heute wieder in sie hinein zu schlüpfen und durchs Paradies zu stapfen. Eigentlich habe ich ja keine Zeit, weil ich in meinem Atelier dem Osterhasen helfe. Aber ein bisschen jeden Tag ist schon drinnen. Ich schaue, welche Arbeit auf mich wartet. In der Mitte unseres Gartens ist ein Hügel, auf dem viele Rosen und eine Vielzahl an bleibenden Blumen, wie Phlox, Margariten, Schwertlilien und vieles mehr wachsen. Auch eine Menge an Pflanzen, die sich selbst diesen schönen Ort ausgesucht haben. Damit man auch alles gut bewundern kann, hat mein Mann vor Jahren ein Kieswegerl angelegt, dass sich durch die Blütenpracht schlängelt. 

Ich entdecke mitten auf dem Kiesweg ein prächtiges großes Büschel. Ein Löwenzahn steht stolz vor mir und lacht mich mit seinem leuchtend gelben Sonnengesichtchen an. 

Mein Kopf sagt mir sofort, das darf nicht sein! Ein Löwenzahn mitten auf dem Kiesweg und seine kleinen Geschwister kommen auch schon anmarschiert.

In mir wohnt nicht nur mein Kopf. Es gibt auch ein Herz und eine Seele.

Ich überlege, wie hätte die kleine Resi mit dem Alter von 2 Jahren reagiert, die noch nicht von den Erwachsenen gelernt hat, dass wegen der vermeintlichen Ordnung, der Löwenzahn von diesem Platz auf jeden Fall weg muss. Sie kennt auch das abwertende Schimpfwort für ihn "Unkraut" nicht.

Ich weiß, dass die kleine Resi mit ihren zwei Zöpfchen sich über ihn sehr gefreut hätte. Freudig hätte sie sich zu ihm gebeugt, sein strahlendes Blütengesichtchen in ihre kleinen Hände genommen und ihn bestaunt, bewundert und angestrahlt. Sie hat damals sicher nicht gewusst, was das genau ist, was sie in ihren Händen hält. Ihre Seele hat es gespürt. Sie hat gespürt, dass sie gerade ein Wunder entdeckt hat. Ein Geschenk von Mutter Erde!

Ich lebe jetzt schon eine ganze Weile auf dieser Erde und  habe auch  lernen müssen, dass die Ordnung, die sich Menschen ausgedacht haben, oft über die  Natur gestellt wird. Gott sei Dank sehe ich das heute anders. Ich mache mir mehr Gedanken darüber, ob wirklich alles gut ist, was ich von anderen Menschen oder der Gesellschaft gelernt habe und ich gestehe, ich bin dabei vieles davon zu vergessen.

Natürlich lasse auch ich nicht jede Pflanze stehen, die von selber kommt. Aber wo es möglich ist, sehr gerne.

Ich halte mich nicht an sogenannte Regeln, die sich irgendwann, irgendwer ausgedacht hat.

Ich lebe frei, fröhlich und auch ein bisschen wild.

Wie mein Freund, der Löwenzahn!




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