Montag, 12. September 2022

12.9.2022

 


Ich sitze am Küchentisch und schaue aus dem Fenster. 

Vor mir steht noch immer unsere Sonnenblume, die ich im letzten Bericht beschrieben habe. Sie hat mittlerweile ein ganzes Stück ihres Sonnenblumenlebens gelebt.
Sie hat sich verändert. Ihr Stamm ist sehr rau und sehr kräftig geworden. Ich könnte ihn nicht brechen. Höchstens mit einer Säge durchschneiden. An ihm hängen sehr große Blätter herunter, die sich wie Schmirgelpapier anfühlen. Sie stehen nicht mehr saftig grün weg wie in ihren Jugendjahren, sondern hängen schlapp und faltig herunter. Der Kopf ist sehr schwer geworden. Die Samenkerne sind reif und groß und haben ein ordentliches Gewicht. Das führt dazu, dass sie den Kopf immer mehr neigt. Sie stützt sich schon sehr auf den Stock, den wir ihr gegeben haben. Auch der sonnengelbe Blütenblätterkranz ist verschwunden.
Schon längst richtet sie nicht mehr ihren Kopf nach dem Stand der Sonne.
Sie erinnert mich an ein Menschenleben.
Zuerst sind wir beweglich und wunderschön anzuschauen. Mit zunehmenden Alter verlieren wir dieses taufrische Aussehen. Dafür bekommen wir neue Eigenschaften. Durch unser Leben in Wind, Sonnenschein und oftmals Sturm und Regen bekommen wir eine Stärke, die wir in unserer Jugend nicht haben. In unserem Inneren tragen wir einen großen Erfahrungsschatz, wie die Sonnenblume, ihre Körner. Oft gehen wir gebeugt, weil die schwere Last so manchen von uns zu Boden drückt.
Aber wir strahlen eine große Würde aus, so wie unsere Sonnenblume. Das ist eine besondere Schönheit! So eine Schönheit, wie ein alter Baum sie ausstrahlt. Mit seinem starken Stamm und der knorrigen Rinde. mit vielen Astlöchern und abgebrochenen Ästen.
Ich denke, wir sollen besser hinschauen lernen und sich nicht von der oberflächlichen Ansicht der Gesellschaft täuschen lassen.
Erkennen wir das Wertvolle und Einzigartige an einem Menschen, der im wahrsten  Sinne des Wortes durch Dick und Dünn gegangen ist und dabei einige Schrammen abbekommen hat.













12.9.2022

  Ich sitze am Küchentisch und schaue aus dem Fenster.  Vor mir steht noch immer unsere Sonnenblume, die ich im letzten Bericht beschrieben ...