Samstag, 18. April 2020
18.4.2020
Ich sitze in meinem Atelier und filze eine bestelle Handpuppe. Einen Wolf für ein Kasperltheater.
Die Sonne scheint und ich habe die Türen nach draußen geöffnet. Andauernder Straßenlärm, fast soviel wie vor der Krise, ist zu hören. Ich frage mich, wo die alle hin fahren. Es ist anscheinend für viele Menschen schwer, längere Zeit an einem Ort zu bleiben. Wem oder was laufen sie nach?
Ich bin in eine Familie geboren worden, die in Armut gelebt hat, so würde ich es heute sehen. Trotzdem ist mir nichts abgegangen.
Meine Eltern haben körperlich sehr schwer gearbeitet um zu leben, besser gesagt um zu überleben. Halbe halbe war bei uns kein Thema. Wenn sich das Geschirr gestapelt hat, dann hat Vati abgewaschen, wenn die Küche zum aufkehrten war, hat er eben das getan. Obwohl wir ein Haus hatten, haben wir auf engsten Raum zusammen gelebt. Im Winter gab es so wie so nur einen geheizten Raum. Das war das Wohnzimmer . In der Nacht teilten wir uns zu viert das Ehebett. Mutti, Vati, mein um vier Jahre jüngere Bruder und ich. Unser Hund Luxi, ein schwarzer Mischling, Vati meinte, er wäre ein amerikanischer Schäferhund, schlief neben dem Bett meiner Mutti. Wenn er in der Nacht etwas hörte, lief er zum Fenster, legte seine Vorderpfoten auf das Fensterbrett und schaute hinaus. Manchmal knurrte er ein bisschen, wenn die Nachbarskatze vorbei lief. Dann legte er sich auf seinen Platz und schlief weiter. Er war ein guter Wächter. Nur wenn es im Sommer ein Gewitter gab, zitterte er so heftig und drückte sich ganz fest an das Bett, dass das ganze Bett wackelte. Da mussten wir ihn beschützen.
Ich kann mich nie erinnern, dass ich vor meinen Eltern schlafen gehen musste. Wir gingen immer alle vier zur gleichen Zeit ins Bett. Wenn Vati nicht all zu müde war, hat er uns eine Geschichte erzählt, ein bisschen aus seinem Leben mit viel Phantasie dazu. Danach haben wir alle gebetet, wir bekamen einen Gutenachtkuss und dann wurde geschlafen.
Damals war die Pille noch kein Thema, es gab auch keine. Außerdem waren meine Eltern so müde, dass sie nicht mehr in der Lage waren, nur mit den Zehen zu wackeln. Und wir, mein Bruder und ich , waren ja auch noch da. Mein Bruder kuschelte sich an den Vati, ich an die Mutti. Das war die garantierte Verhütung. Noch dazu ohne Nebenwirkungen. Da hatten Arzt und Apotheker nichts zu warnen.
Für mich war das mein Nest. Das ich so lange nicht verlassen musste, bis ich es selber wollte.
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